Neues Strafgesetz im Criminal Finances Act 2017 zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung verschärft die Sorgfaltspflichten von Unternehmen - Achtung gilt ebenso für deutsche Unternehmen!
Am 30. September 2017 trat ein neues Strafgesetz unter Part 3 im Criminal Finances Act 2017 („CFA“) in Kraft, welches die strafrechtliche Verfolgung von in- und ausländischen Unternehmen im Zusammenhang mit Steuerstraftaten erleichtert. Leistet eine im Auftrag des Unternehmens handelnde Person Beilhilfe zur Steuerhinterziehung (bspw. eines Klienten) wird dem Unternehmen die Beihilfehandlung nunmehr zugerechnet, wenn das Unternehmen es unterlassen hat, angemessene und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Beihilfehandlung zu unterbinden, (vgl. Part 3, Section 45 (1) - (3) CFA). Bisher war es Aufgabe der Staatsanwaltschaft nachzuweisen, dass auch die Führungsebene von diesen Praktiken Kenntnis hatte oder diese wissentlich duldete. Gerade Vorstände globaler Unternehmen konnten dadurch nicht zur Rechenschaft gezogen werden, da die Kenntnis diese unlauteren Praktiken aufgrund der dezentralen Unternehmensleitung meist nicht nachzuweisen war und nicht jede Entscheidung aus den Federn der Vorstände stammt. Das neue Gesetz gilt ausschließlich für Unternehmen (sogenannter „relevant body“). Für Einzelpersonen gelten weiterhin die bereits bestehenden Strafgesetze.
Der Straftatbestand gilt für Unternehmen mit Sitz in und außerhalb Englands (Part 3, Sections 45-46 CFA), solange der Handel sich auf den englischen Markt auswirkt bzw. deren Handlungen oder
Unterlassen einen Bezug zu England/Wales aufweisen. Dem neu geschaffenen Strafgesetz liegt die Annahme der britischen Regierung zu Grunde, dass jedes Unternehmen über umfassende Kenntnisse
ausländischer Steuergesetze verfügt. Auch hier gilt also „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“
Oberster Gerichtshof beschließt neuen Test für „Unehrlichkeit“ in strafrechtlichen Fällen
Der Test für „Unehrlichkeit“ war bisher verschieden je nachdem, ob es um eine strafrechtliche oder zivilrechtliche Angelegenheit ging. In strafrechtlichen Sachen hatte der Fall R v Ghosh [1982] EWCA Crim 2 einen zwei stufigen Test etabliert. Erstens musste die Handlung des Angeklagten objektiv unehrlich sein, gemessen an den Standards vernünftiger und ehrlicher Leute. Zweitens musste der Angeklagte selber subjektiv merken, dass sein Handeln nach diesen Standards unehrlich war.
In Ivey (Revisionsführer) v Genting Casinos (UK) Ltd t/a Crockfords (Antragsgegner) [2017] UKSC 67 hat das oberste Gericht jetzt entschieden, dass der Test für zivilrechtliche Fälle auch für strafrechtliche gilt. Dieser Test verzichtet auf das starke subjektive Element. Zunächst muss der tatsächliche Geisteszustand des basierend auf Fakten ermittelt werden, dann ist zu fragen, ob dieser Geisteszustand gemäß den Standards gewöhnlicher anständiger Leute ehrlich oder unehrlich ist.
Der Fall, den der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hatte war zivilrechtlich. Der Revisionsführer war ein professioneller Spieler. Ihm war es gelungen innerhalb von zwei Tagen 7,7 Millionen £ zu gewinnen in dem er eine Technik namens „Edge Sorting“ nutzte. Mit der Hilfe eines Partners beeinflusste er den Croupier so, dass dieser die Karten leicht gedreht auf den Tisch legte je nachdem, ob die Spieler sie als „gut“ oder „nicht gut“ befanden. Anschließend wurde der Croupier überredet denselben Kartenstapel erneut zu verwenden. Auf diese Weise erhöhte der Revisionsführer seine Gewinnchancen, da er die guten Karten wiedererkenne konnte. Dem Croupier war die Bedeutung seiner Handlungen nicht bewusst.
Der Oberste Gerichtshof entschied, dass dieses Verhalten Schummeln sei, da der Spieler Einfluss darauf nahm, welche Karten benutzt wurden. Es mache keinen Unterschied, ob man selber den Kartenstapel veränderte oder hierzu den Croupier benutze. Insbesondere hielt das Gericht fest, dass es irrelevant sei, ob der Revisionsführer selber davonausging zu schummeln. Daher erhielt Herr Ivey die Gewinnsumme nicht. Zusätzlich kritisierte der Oberste Gerichtshof den zwei stufigen strafrechtlichen Test, da dieser Angeklagte bevorzuge, die generell einen eher unnormalen Geisteszustand hätten. Außerdem sei das subjektive Element in der Praxis schwer nachzuweisen. Daher hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass der objektive zivilrechtliche Test auch in strafrechtlichen Angelegenheiten gilt.
Mit dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof mehr Klarheit in diesem Bereich geschaffen und in der Zukunft dürfte es einfacher werden Unehrlichkeit nachzuweisen.
Strafverfolgungsbehörden in England/Wales
Die Polizei ist auch in England und Wales üblicherweise die Ermittlungsbehörde für Straftaten. Sie arbeitet dabei eng mit dem Crown Prosecution Service zusammen, der am ehesten mit der
Staatsanwaltschaft in Deutschland verglichen werden kann. In der Regel leitet die Polizei ihre Fälle an den Crown Prosection Service weiter. Bei geringen Straftaten kann die Polizei sich aber
auch dazu entscheiden, den Fall nicht an den Crown Prosecution Service weiterzuleiten, sondern eine Verwarnung auszusprechen, ein polizeiliches Bußgeld (genannt „penalty notice“) zu verhängen
oder eine community resolution zu erlassen.
Der Vorsitzende des Crown Prosecution Services („CPS“) ist der Director of Public Prosecutions und untersteht der Aufsicht des Generalstaatsanwalts („Attorney General“). Die Hauptaufgabe des Director of Public Prosecutions besteht im Wesentlichen darin, nach dem Tätigwerden der Polizei die Strafverfolgungs-maßnahmen einzuleiten, also das gerichtliche Verfahren gegen den Angeschuldigten. Innerhalb des Crown Prosecution Services gibt es Sondereinheiten für schwere Betrugsfälle, Terrorismus und organisiertes Verbrechen. Der Crown Prosecution Service prüft nach der Weiterleitung eines Falles, ob es ein öffentliches Interesse daran gibt, den Fall vor Gericht zu bringen und ob die vorhandenen Beweise für eine Anklage ausreichen.
Wenn dies der Fall ist, wird Anklage gegen den Straftäter erhoben. Die meisten Fälle werden dabei vor dem sog. Magistrates Court verhandelt. Schwere Straftaten werden an den sog. Crown Court verwiesen. Nur einem Crown Court entscheidet eine Jury darüber, ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht.
Strafverteidigung vor englischen Gerichten
Anders als in der deutschen Strafprozessordnung geregelt, wird nach englischem Recht nicht zwischen den Berufen des Staatsanwalts und des Strafverteidigers unterschieden. Dies bedeutet, dass die
vor Gericht auftretenden Anwälte, sowohl beauftragt werden können den Staat als auch den Angeschuldigten vor Gericht zu vertreten. Der so mögliche Perspektivenwechsel wird von den meisten
Strafrechtsanwälte nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Bereicherung angesehen.
Strafmündigkeit nach englischem Recht
Während Minderjährige unter 10 Jahren nicht bestraft werden können, sind bereits Minderjährige zwischen 10 und 14 Jahren eingeschränkt straffähig. Es kommt bei der Beurteilung, ob der
Minderjährige bereits straffähig ist, auf die Einsichtsfähigkeit bezüglich des eigenen Handels an. Äußert sich der festgenommene Minderjährige nach Begehung eines Diebstahls so, dass er das
Diebesgut nicht „gestohlen“ habe, so nimmt ein englisches Gericht die notwendige Einsichtsfähigkeit bezüglich der Unrechtmäßigkeit des Handelns aufgrund der Verwendung des Worts „gestohlen“
regelmäßig an.